Donnerstag, 19. Oktober 2017

Am Ende

Die Insekten sterben. Diese Nachricht geht seit einigen Tagen durchs Netz, aber so richtig interessiert sie niemanden. Mich erinnert das an einen Text, von dem meine Cousine mir vor etlichen Jahren erzählte. Inzwischen weiß ich, dass er vom Schweizer Kabarettisten Franz Hohler stammt. Ich habe natürlich keinerlei Rechte daran, veröffentliche ihn aber hier als eine Art Gastbeitrag. Aus gegebenem Anlass.


Franz Hohler: Der Weltuntergang

Der Weltuntergang
meine Damen und Herren
wird nach dem, was man heute so weiß
etwa folgendermaßen vor sich geh'n:

Am Anfang wird auf einer ziemlich kleinen Insel
im südlichen Pazifik
ein Käfer verschwinden
ein unangenehmer und
alle werden sagen
Gott sei Dank ist dieser Käfer endlich weg
dieses widerliche Jucken, das er brachte
und er war immer voller Dreck.

Wenig später werden die Bewohner dieser Insel merken
dass am Morgen früh
wenn die Vögel singen
eine Stimme fehlt
eine hohe, eher schrille
wie das Zirpen einer Grille
die Stimme jenes Vogels, dessen Nahrung, es ist klar
der kleine, dreckige Käfer war.

Wenig später werden die Fischer dieser Insel bemerken
dass in ihren Netzen
eine Sorte fehlt
jene kleine, aber ganz besonders zarte, die -
hier muss ich unterbrechen und erwähnen
dass der Vogel mit der eher schrillen Stimme
die Gewohnheit hat oder gehabt haben wird
in einer langen Schlaufe auf das Meer hinaus zu kehren
und während dieses Fluges seinen Kot zu entleeren
und für die kleine, aber ganz besonders zarte Sorte Fisch war dieser Kot
das tägliche Brot.

Wenig später werden die Bewohner des Kontinents
in dessen Nähe die ziemlich kleine Insel im Pazifik liegt, bemerken,
dass sich überall
an den Bäumen, auf den Gräsern, an den Klinken ihrer Türen
auf dem Essen, an den Kleidern, auf der Haut und in den Haaren
winzige schwarze Insekten versammeln
die sie niemals gesehen
und sie werden's nicht verstehen
denn sie können ja nicht wissen
dass die kleine, aber ganz besonders zarte Sorte Fisch
die Nahrung eines größern, gar nicht zarten Fisches war
welcher seinerseits nun einfach eine andre Sorte jagte
einen kleinen, gelben Stichling vom selben Maß
der vor allem diese schwarzen Insekten fraß.

Wenig später werden die Bewohner Europas
also wir
merken, dass die Eierpreise steigen
und zwar gewaltig
und die Hühnerfarmbesitzer werden sagen
dass der Mais
aus dem ein Großteil des Futters für die Hühner besteht
vom Kontinent in dessen Nähe die ziemlich kleine Insel im Pazifik liegt
plötzlich nicht mehr zu kriegen sei
wegen irgendeiner Plage von Insekten
die man mit Giften erfolgreich abgefangen
nur leider sei dabei auch der Mais draufgegangen.

Wenig später
jetzt geht es immer schneller
kommt überhaupt kein Huhn mehr auf den Teller.
Auf der Suche nach Ersatz für den Mais im Hühnerfutter
hat man den Anteil an Fischmehl verdoppelt
doch jeder Fisch hat heutzutage halt
seinen ganz bestimmten Quecksilbergehalt
bis jetzt war er tief genug, um niemand zu verderben
doch nun geht's an ein weltweites Hühnersterben.

Wenig später
werden die Bewohner jener ziemlich kleinen Insel im südlichen Pazifik
erschreckt vom Ufer in die Häuser rennen
weil sie das, was sie gesehen haben, absolut nicht kennen.
Die Flut hat heute
und dazu muss man bemerken
der Himmel war blau und Wind gab es keinen
und der Wellengang war niedrig wie stets bei schönem Wetter
und trotzdem lagen heute Nachmittag
die Ufer der Insel unter Wasser
und natürlich wusste niemand
dass am selben Tag auf der ganzen Welt
die Leute von den Ufern in die Häuser rannten
und die Steigung des Meeres beim Namen nannten.

Wenig später
werden die Bewohner jener ziemlich kleinen Insel im südlichen Pazifik
von den Dächern ihrer Häuser in die Fischerboote steigen
um in Richtung jenes Kontinents zu fahren
wo seinerzeit die Sache mit dem Mais passierte.
Doch auch dort ist das Meer schon meterhoch gestiegen
und die Städte an der Küste und die Häfen, die liegen
schon tief unter Wasser
denn die Sache ist die
man musste das gesamte Federvieh
also sechs Milliarden Stück
vergiftet wie es war
verbrennen
und der Kohlenstaub, der davon entstand
gab der Atmosphäre
durch Wärme und Verbrennung schon bis anhin strapaziert
den Rest.

Sie ließ das Sonnenlicht wie bisher herein
ABER NICHT MEHR HINAUS
wodurch sich die Luft dermaßen erwärmte
dass das Eis an den Polen zu schmelzen begann
die Kälte kam zum Erliegen
und die Meere stiegen.
Wenig später werden die Leute
die mittlerweile in die Berge flohen
hinter den Gipfeln
weit am Horizont
ein seltsam fahles Licht erblicken
und sie wissen nicht, was sie denken sollen
denn man hört dazu ein leises Grollen
und wenn einer der Ältern jetzt vermutet
dass nun der Kampf der Großen beginnt
um den letzten verbleibenden Raum für ihre Völker
da fragt ein andrer voller Bitterkeit
wie um Himmels willen kam es soweit?

Tja, meine Damen und Herren
das Meer ist gestiegen, weil die Luft sich erwärmte
die Luft hat sich erwärmt, weil die Hühner verbrannten
die Hühner verbrannten, weil sie Quecksilber hatten
Quecksilber hatten sie, weil Fisch gefüttert wurde
Fisch hat man gefüttert, weil der Mais nicht mehr kam
der Mais kam nicht mehr, weil man Gift benutzte
das Gift musste her, weil die Insekten kamen
die Insekten kamen, weil ein Fisch sie nicht mehr fraß
der Fisch fraß sie nicht, weil er gefressen wurde
gefressen wurde er, weil ein anderer krepierte
der andere krepierte, weil ein Vogel nicht mehr flog
der Vogel flog nicht mehr, weil ein Käfer verschwand
dieser dreckige Käfer, der am Anfang stand.

Bleibt die Frage
stellen Sie sie unumwunden
warum ist denn dieser Käfer verschwunden?
Das, meine Damen und Herren
ist leider noch nicht richtig geklärt
ich glaube aber fast, er hat sich falsch ernährt.
Statt Gräser zu fressen, fraß er Gräser mit Öl
statt Blätter zu fressen, fraß er Blätter mit Ruß
statt Wasser zu trinken, trank er Wasser mit Schwefel
so treibt man auf die Dauer an sich selber eben Frevel.
Bliebe noch die Frage
ich stell' mich schon drauf ein
wann wird das sein?

Da kratzen sich die Wissenschaftler meistens in den Haaren
sie sagen in zehn, in zwanzig Jahren
in fünfzig vielleicht oder auch erst in hundert
ich selber habe mich anders besonnen
ich bin sicher
der Weltuntergang, meine Damen und Herren
hat
schon
begonnen.


Franz Hohler - Der Weltuntergang from ECO123 on Vimeo.

Donnerstag, 12. Oktober 2017

Zweite kuriose Geschichte des Tages

Wenn du spät nach Hause kommst, den Hausschlüssel ins Schloss steckst, ihn umdrehst... und nichts passiert, dann hast du ein Problem. Dann weißt du endgültig: Dieser Tag wird auch auf den letzten Metern nicht dein Freund.

Da ist es gut, wenn man den richtigen Spezialisten für solche Notfälle anruft. Sein Name: Marx, Frank Marx. Und er ist ungefähr der arschcoolste Typ unter der Sonne (die zu diesem Zeitpunkt allerdings längst untergegangen war). Als Jesus seinerzeit Probleme damit hatte, die Steinkugel wegzurollen, hat er IHN gerufen. Wenn sie irgendwann das Bernsteinzimmer finden, und es ist von innen abgeschlossen, werden sie IHN holen. Denn für diesen Kerl stellen Türen keine Hindernisse dar. Nicht mal Herausforderungen. Sie sind bestenfalls Training.

Die Fluppe im Mundwinkel, den Werkzeugkoffer lässig schlenkernd, anderthalb Meter totale Kompetenz - so stapfte er im Halbdunkel heran. Nun gibt es ja zwei Sorten Haudegen: Es gibt die wortkargen, eher mürrischen Typen, die nur dann und wann ein verächtliches Schimpfwort zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorknurren. Und es gibt Frank Marx. Oder anders: Er redet gern. Und viel. Und oft. Eigentlich andauernd. Wie die meisten großen Helden hat er einen Erkennungssatz - eine so genannte Catchphrase -, um sich von seinen Mitbewerbern zu unterscheiden. In seinem Fall lautet sie: "Ich will Ihnen das nur kurz erklären." Ja, das wollte er. Das tat er auch. Wortreich, durchaus eloquent, aber glücklicherweise vor allem parallel zu seiner Arbeit. Denn sein eigentliches Ziel neben einer gewissen didaktischen Verantwortung für den Kunden (der übrigens dringend pinkeln musste) war das Öffnen des offensichtlich kaputten Schlosses.

Zum Einsatz kamen zwei verschiedene Diamantaufsätze für den Schlagbohrer, der Schlagbohrer, ein uralter Schraubenzieher, ein noch älterer Hammer, zwei Zigaretten in einer halben Stunde, eine ins wirre Grauhaar geschobene Sonnenbrille (nochmal: es war bereits dunkel) und im späteren Verlauf eine Flasche WD40 aus meinem eigenen Besitz. Ich verfüge nun über ein neues Türschloss, "das Beste auf dem Markt", quasi unzerstörbar, findet auch in Atomkraftwerken Verwendung, der Hausmeister von Fort Knox würde bei diesem Anblick neidvoll in Tränen ausbrechen... Ihr habt ein Bild.

Gekostet hat mich das Ganze genau *hust* Euro. Ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass der Beste unter den 24-Stunden-Schlüsseldienstleistern dafür gesorgt hat, dass aus meiner Hütte das dörfliche Äquivalent zu Abrahams Schoss geworden ist. Kein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass es viel Geld ist. Aber der Meister heißt offenbar nur zufällig Marx.

Kuriose Geschichte des Tages

Kuriose Geschichte des Tages: Ich habe bei einem privaten Anbieter im Amazon Marketplace einen Comic zum sagenhaften Preis von 1,99 Euro erworben. Leider kam die Bestellung bislang nicht bei mir an. Da ich gerne selbst entscheide, wem ich knapp zwei Euro spende, habe ich Kontakt mit den Verkäufern aufgenommen. Als Reaktion vertröstete das Paar mich auf einen späteren Zeitpunkt - ich wartete also weiter, allerdings nach wie vor vergeblich. Nach einer weiteren Mail und einer negativen Bewertung auf Amazon kam dann gestern die Ankündigung einer Klärung der Situation. Und heute dann erreichte mich die endgültige Antwort, die durchaus charmant ausfiel:

"Sehr geehrter Herr Engelhardt,
erstmal Sorry, es ist dann doch gestern später geworden als wir angenommen hatten.  
Folgendes ist passiert:
Unser Neffe bessert seine finanzielle Situation immer mal wieder mit kleinen Hilfeleistungen für uns auf. So auch am fraglichen Versandtag Ihrer Sendung. Er sollte einiges an diesem Tag zur Post bringen. Scheinbar hat ihn dann ein unerwartetes Zusammentreffen mit seiner "neuen Flamme"aus dem Konzept gebracht. Die Folge war, dass er diverse Sendungen, darunter auch Ihre, seit diesem Tag in seinem Auto spazieren gefahren hat. Gestern Abend hat er uns dann seinen Fauxpas gestanden. Wir haben jetzt umgepackt und senden das Heft heute als Großbrief , statt als Büchersendung, an Sie raus, so dass es bis morgen bei Ihnen eintreffen sollte. Und diesmal werden wir den Umschlag selbst zur Post bringen.
Wir können uns für die höchst unangenehmen Umstände nur in aller Form bei Ihnen entschuldigen und um Ihr Verständnis bitten."

Gerne angenommen - und Verständnis hab ich auch.