Montag, 25. September 2017

Blaue Boten

Ich denke das selten, aber manchmal denke ich es: Gut, dass der Alte das nicht mehr miterlebt. Mein Vater ist vor zehn Jahren gestorben. In der Zeit vor den Schmerzen und dem Krankenhaus hat er oft geflucht, mehr noch als gewohnt. Einmal im Monat stand er in der Parteizentrale der SPD in Marburg und drohte mit Parteiaustritt. Hartz IV? Brüllende Ungerechtigkeit, auf die man ebenso reagieren muss. Die Politik der ruhigen Hand? Unsinn - die Faust soll auf den Tisch krachen! Dass seine Partei in die Opposition geht, hätte den Alten hingegen gefreut. Endlich wieder klare Kante zeigen. Auf der anderen Seite stehen. Dagegen halten.

Was ihn nicht gefreut hätte, ist der Grund dafür, dass ich fast froh bin, ihn das nicht erleben zu sehen: Mit zwölf Prozent zieht die “rechtspopulistische” AfD in den Bundestag ein. Ich höre ihn noch lautstark schimpfen, wenn das Fernsehen mal wieder Bilder marschierender Nazis zeigte. Ein derartiger Wahlerfolg für deren dackelkrawattentragende Hintermänner hätte ihn komplett ausflippen lassen.
"Wir (haben) das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen." (Alexander Gauland)
Mein Vater war einer dieser Soldaten, und er war auf gar nichts stolz. Nicht darauf, weinend nach seiner eigentlich verhassten Mutter geschrien zu haben, als die ersten Kugeln um ihn herum einschlugen. Nicht darauf, den Rest seines Lebens den Splitter einer Granate im Knie zu haben, als bleibendes Andenken an den Zweiten Weltkrieg. Nicht darauf, im Lazarett als Gefangener der amerikanischen Streitkräfte davon erfahren zu haben, welches Grauen sich in seiner Heimat abspielte. Nicht darauf, die Menschen als “Feinde” bezeichnet zu haben, die ihm das Bein retteten. Nicht auf die Scham, als er nach Hause zurückkehrte, humpelnd, gebrochen, endlich erwachsen. Ein anderer Mensch.
"Ich will, dass Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit hat. Ich will, dass Deutschland auch eine tausendjährige Zukunft hat." (Björn Höcke)
In den knapp 80 Jahren seines Lebens hat mein Vater viel erlebt. Viele Jobs gehabt (von Werftarbeiter bis Eisverkäufer), viel gesehen, viele Fehler gemacht, viel dazu gelernt. Aber die tausend Jahre, die nur zwölf waren, gehörten auch in seinem Dasein zu den dunklen Flecken. Man versucht, sie zu vergessen, nicht daran zu denken. Und wenn die kahlgeschorenen Hohlschädel, schlimmer noch: die eloquenten Brüllaffen auftraten, ballte er die Faust in der Tasche. Die Faust, die auf den Tisch krachen sollte (was sie häufig auch tat), die Faust, die ihm oft Ärger eingebracht hat. “Ick kann det nich verstehn”, sagte er oft. “Det will ma nich in den Schädel, dass die det wiederhaben wolln. Ham die denn jar nischt jelernt?” Es war keine gute Zeit, für niemanden, und es war eben doch alles schlecht, daran hatte mein Vater - der Sozialdemokrat im Wortsinn - keinen Zweifel. So hat er es auch seinen Jungs beigebracht. Beschäftigt euch mit Geschichte, informiert euch, seid dagegen und seid laut, wenn es nötig ist. Für meinen Vater war das oft nötig.
"Zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt." (Frauke Petry)
Krieg ist keine Lösung. Waffen auch nicht. Das hat mich einer gelehrt, der in jungen und auch in späteren Jahren durchaus einen Hang dazu hatte, seine Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Seine Familie buchstäblich zu verteidigen. Auch mal jemanden am Kragen zu packen, wenn es für ihn der richtige Zeitpunkt war. (Und dieser Zeitpunkt war relativ schnell erreicht.) Aber Krieg, also Tod und Vernichtung für so etwas Abstraktes wie Grenzen oder “Völker”, das entsprach nie dem Wesen des Alten. Das war letztlich ungerecht, und Ungerechtigkeit hasste er. Für andere sterben? Völlig sinnlos. Für andere töten? Ein Verbrechen. Klar, dass ich den Dienst an der Waffe verweigerte habe und er mich darin unterstützt hat. Was sind schon Feinde? Menschen, die dir das Bein retten und dir die Wahrheit erzählen?
"Multikulti hat die Aufgabe, die Völker zu homogenisieren und damit religiös und kulturell auszulöschen." (Beatrix von Storch)
Seine letzten Jahre hat mein Vater meist im Krankenhaus verbracht. Das war oft schlimm, meist traurig und nur sehr selten eine Anekdote wert. Einmal berichtete er allerdings davon, dass seine Zimmergenossen nette Kerle seien. “Der eene bekommt imma Besuch von sein Kleenen, der andere von seine janze Familie.” So beschrieb der alte Haudegen die beiden, die mit ihm vorübergehend Unterkunft und eventuell auch Schicksal teilten. Manch anderer hätte vielleicht gesagt: Der eine ist Neger und der andere Türke. Dem Alten war das egal.
"Wenn man den ersten Schuss in die Luft abgibt, wird deutlich, dass wir entschlossen sind." (Marcus Pretzell)
Am Tag danach, nach einem langen, spannenden, traurigen Arbeitssonntag, habe ich Katerstimmung. Der Kopf tut weh, ich bin müde, überall zwickt und zieht es. Und ich bin auf die Füße gefallen. Schon gestern wusste ich, das Resignation keine Antwort ist. Ich habe charakterlich ziemlich viel von meinem Vater geerbt, nicht nur gute Eigenschaften. Aber auf eine davon bin ich ein bisschen stolz: Ich bin ganz schlecht im Aufgeben. War ich schon immer. Wir Demokraten müssen jetzt zusammenhalten. Ob Opposition oder wie auch immer gefärbte Regierung. Ob an der Spitze einer Partei oder ganz hinten in der letzten Reihe. Ob mit Parteibuch oder ohne. Ob auf der Straße, am Stammtisch, im Wohnzimmer, im Hörsaal, im Job oder in der Natur. Lasst uns bunt und laut sein, lasst uns reden, diskutieren, schreien und zuhören. Die werden unser Land nicht verändern. Wir sind nicht deren Volk.
"Wir werden sie jagen." (Alexander Gauland)
Wir werden nicht fliehen.



“Verinnerlicht ist das Gefühl
der Ohnmacht, wo man leben will.
So ausgegrenzt auf Lebenszeit
kocht leicht die Wut aus Bitterkeit.

Abgeschoben an den Rand,
im sogenannten Heimatland,
vergeht im Frust die Toleranz.
Ein andres Spiel beginnt!

Es ist soweit, ich fühle den Sturm,
schwarze Boten einer anderen Zeit,
junges Leben vom Alten bedrängt,
wird tabulos und zu allem bereit,
rituelle und brutale
schwarze Boten einer anderen Zeit.

Keine Lobby, hoffnungslos,
bespitzelt vom Politkoloss,
in solcher Überlebensnot
wird Gewalt der neue Gott.

Denken nur noch im Extrem,
behaupten oder untergehn,
kniend leben angepasst
- aufrecht und gehasst.

Horror ist fast jeder Tag,
es sitzt die Angst fest im Genick,
die Lüge vom "Schlaraffenland",
auch nur ein Taschenspielertrick.

Dem Größenwahn im Rausch der Macht
und ignorantem Herdenvieh
wird Feuer unterm Arsch gemacht,
ein Schock der Angst wie nie.“

Die Skeptiker: Schwarze Boten

Freitag, 22. September 2017

Wo die bunten Bilder wohnen

ZACK! BOOM! CRASH! Meine Begeisterung für Comics hat ihre Wurzeln dort, wo die meisten meiner Begeisterungen ihre Wurzeln haben: in meiner Kindheit. Früh macht große Augen, was ein Nerd werden will - staunend stand ich vor den Regalen voller bunter Hefte, lange bevor ich lesen konnte. (Und ich konnte mit fünf Jahren lesen.) Im Kindergartenalter nötigte ich meine Mutter, mir aus den frisch herbei geplärrten Comics vorzulesen. Tapfer las sie auch die Onomatopoesie vor. Und wenn nicht, machte ich sie darauf aufmerksam, dass sie offenbar ein Wort vergessen habe. ZOING!

Als ich dann selbst lesen konnte, entdeckte ich die Welt der Bildergeschichten auf eigene Faust. Was da los war! Abenteuer an jeder Ecke! Ich erstürmte mit meinem ewigen Helden Spider-Man die höchsten Wolkenkratzer New Yorks, lachte mit Cubitus immer als Letzter, blieb lange auf wie Batman und freute mich über die Ähnlichkeiten zwischen Hägar dem Schrecklichen und meinem Vater, dem Schrecklicheren. Mit den Comics wurde auch ich erwachsen, manch alte Liebe flackerte ein wenig, ohne zu erlöschen, und mit 19 machte ich einen der größten Fehler meines Lebens: Ich vertickte meine Sammlung für einen halben Apfel und ein faules Ei an einen moralisch und hygienisch fragwürdigen Händler, um von dem Erlös meinen Führerschein zu finanzieren. WROOM!

Später, man wird vermeintlich reifer und glaubt dann und wann, Geld übrig zu haben, habe ich einen Teil der Schätze von einst erneut gekauft. Oft auf Flohmärkten, nie auf Börsen, selten im Netz, aber definitiv immer überteuert. Comics werden nicht alt, die werden wertvoll. Manches juvenile Abenteuer findet sich heute in edlen Sammelbänden wieder, der verranzte Karton von früher ist längst eine sorgsam gepflegte Bibliothek im Regal. Und wenn mal Neues dazukommt, ist das selten naiv-abenteuerlich, dafür durchaus anspruchsvoll. Comics sind Literatur, inzwischen weiß das jeder. KA-BLAMM!

Hier sind sie also, meine Lieblingscomics. Wie bei derartigen Auflistungen gewohnt, fehlt einiges, gibt es hulkfaustgroße Lücken, ist manches allenfalls repräsentativ. Ich habe keinen Wert darauf gelegt, zwingend die Originalausgabe zu erwähnen, denn manchmal war es eben die deutsche Version, die mich beeindruckt und begleitet hat. Ab und an sind es sogar relativ frisch aufgelegte Sammelbände - wer mag, soll eine Chance haben, sich die Geschichte zuzulegen. Ach ja: Die Reihenfolge ist völlig willkürlich. Und ich entschuldige mich hiermit stellvertretend bei Dik Browne, Alex Ross und Todd McFarlane. Los geht's! SWING!

Will Eisner: Der Spirit (Nelson-Verlag, 1977)

Man kann Eisner gar nicht genug preisen: Sein Zeichenstil ist einmalig und prägend zugleich (weil ihm keiner seiner Epigonen jemals das Wasser reichen konnte), aber vor allem ist er ein brillanter Erzähler. Die Geschichten um den maskierten Verbrecherjäger, der sich The Spirit nennt, erschienen zunächst als Fortsetzungen in amerikanischen Zeitungen und sind klare Kinder ihrer Zeit, der 40er und 50er. Denny Colt - ein Kriminalist, der für tot gehalten wird und das ausnutzt, um abseits des Gesetzes zu arbeiten - ist ein Kollege von Charakteren wie dem Phantom oder Mandrake, also ein Pulp-Held, der nicht in simpel geschriebenen Krimi-Stories zu Hause ist, sondern eben im Comic. Anders als seine genannten Mitbewerber erlebt der Spirit allerdings vergleichsweise düstere Abenteuer. Er wird verletzt, blutet, steht wieder und wieder auf - und ab und zu zuckt schwarzer Humor durch das Dunkel der Nacht. Batman ohne Zynismus, gezeichneter Film noir mit Funny-Elementen - Will Eisner hat sich so unsterblich gemacht wie seine Figur. Mein Erstkontakt erfolgte über einen Sammelband, der bei meinem Bruder im Esszimmer rumlag und glücklicherweise den Besitzer wechselte. Ich habe das 68 Seiten starke Album noch immer, es ist nicht besonders wertvoll, aber ein empfehlenswerter Einstieg in die schattige Welt des Spirit. Die beste Geschichte trägt den Titel "Hundstag" und enthält keinerlei Action. Wir sehen den Protagonisten schwer verletzt im Rinnstein liegen, während um ihn herum die kaputte Großstadt ihrem pulsierenden Alltag nachgeht. Ich wiederhole mich gern: große Erzählkunst.

Die Spinne Nr. 31 (Condor-Verlag, 1981)

Der Condor-Verlag war nicht besonders nett zu seinen Helden: In den 70ern hatte Marvel mit Hilfe des Williams-Verlags den deutschen Markt (und mein Kinderzimmer) erobert, vor allem dank einer gewissen Liebe zum Produkt. Wir reden hier über handgeletterte Texte, Leserbriefseiten, sinnvoll editierte Zusammenstellungen von Serien - also eigentlich über Selbstverständlichkeiten. Condor planierte das alles nieder. In den 80ern musste man als Marvel-Fan nicht nur unter anderem die komplett verblödeten Sprechblaseninhalte in stümperhaft zusammengestoppelten Taschenbüchern ertragen, sondern auch hilflos mitansehen, wie Sammelbände auf Wühltischen verramscht wurden. Kunstform? Literatur? Davon wussten die Verantwortlichen im Hause Condor nichts. Immerhin: Sie übernahmen die rührend hilflos übersetzten Namen der Charaktere. Unser freundlicher Netzkopf aus der Nachbarschaft hieß also weiterhin nicht Spider-Man, sondern "Die Spinne". Eines meiner absoluten Lieblingsabenteuer erschien im Original als "Marvel Team-Up" 65 und 66 - und zwar drei Jahre zuvor. Die deutschen Superheldengeschichten hinkten nämlich zeitweise bis zu zehn Jahre der amerikanischen Veröffentlichung hinterher. Oder anders: Die erschreckten Passanten trugen in den 80ern keine Röhrenjeans, sondern noch immer Schlaghosen... Im 31. Heft nach Condor-Zählweise bekommt Peter Parker - seinerzeit Student der Physik - vom Dekan einen Übernachtungsgast aus Europa aufs Auge gedrückt. Dieser entpuppt sich gleichfalls als maskierter Gangsterschreck - und man darf froh sein, dass sein Name nicht mit "Kapitän Großbritannien" übersetzt wurde. Ein Hauch Mystik gibt dem klassischen Gerangel zwischen Hochhäusern einen leichten Fantasy-Touch. Die Zeichnungen vom großen John Byrne sind gewohnt dynamisch. Und ich mag Captain Britains ursprüngliche Darstellung, seine Maske, das Szepter... Seine spätere Reinkarnation habe ich übrigens im bereits erwähnten Esszimmer meines Bruders erstmals gesehen und ins Herz geschlossen. Doch das ist eine andere Geschichte, und sie soll nicht erzählt werden. (Übrigens habe ich kürzlich eine Neuauflage des Originals bei eBay geschossen - inklusive Actionfiguren von Spidey und dem Captain. Ich liebe das Internet.)

Peter Schulz & Michael Ryba: Der Kampf um Flohheim - Band 3: Schindel-Schwinger zwickt die Hexen (1976, Illu Press Edition)

Irgendwie ist dieser Comic damals zwischen meine Kinderbücher geraten, vermutlich wegen der lustigen Knollennasen und der bunten Geschichten. Nur: Die Abenteuer der Einwohner von Flohheim sind eigentlich nichts für Kinder. Als Grundschüler war mir allerdings herzlich egal, dass die Herren Schulz und Ryba fröhlich paffende Hippies im Kampf gegen das System waren - und ihr "Comix" (so nannten sie das selbst) ein Manifest gegen Staat, Kirche und eine rigide Drogenpolitik. Flohheim - so die Story - liegt ziemlich genau zwischen Himmel und Hölle und wird bevölkert von Gottes ersten, nicht immer gelungenen Versuchen, Leben zu erschaffen. So sehen sie aus wie anthropomorphe Kreuzungen verschiedener Tierarten und haben alle eine primäre Eigenschaft. Der Held in dieser wilden Jagd erinnert beispielsweise an ein geschupptes Nilpferd mit Siegfried-Frisur und riesigen Füßen und trägt Boxhandschuhe. Noch Fragen? Das Ganze ist komplett irre und sprach mich seinerzeit offenbar an, ohne dass ich die Metaebene auch nur erahnte. Die kompletten Porträts der Flohheimer prangten an der Tür meines Zimmers - Credo und Gedankenwelt ihrer Erfinder schafften es erst später in den Schädel seines Bewohners. So waren sie, die späten 70er.

Richard & Wendy Pini: Abenteuer in der Elfenwelt Nr. 1 - Als die bösen Gnomen kamen (1984, Bastei)

Wir befinden uns auf einem fremden Planeten, der sich von unserem dadurch unterscheidet, dass zwei Monde um ihn kreisen. Während der Urzeit der Menschen muss ein Raumschiff notlanden - Mannschaft und Passagiere nehmen verschüchtert Kontakt zu den Wilden auf. Diese sehen in den Besuchern aus dem All jedoch böse Ungeheuer und begegnen ihnen mit Angst und Gewalt. Ohne Kontakt zu ihrem Heimatplaneten fliehen die Außerirdischen in den Wald und unterirdische Höhlen. Jahrtausende später haben sich ihre Nachfahren zu jenen Wesen entwickelt, die der Mensch als Elfen und Trolle kennt. Allerdings in eine wehrhafte Variante: Der junge Häuptling Schnitter und sein Stamm verstehen sich nicht nur auf Heilkunst, Handwerk und eine rudimentäre Magie, sondern sind vor allem aggressive Krieger mit Schwert, Speer und Bogen. Um seiner Gruppe das Überleben zu sichern, macht sich Schnitter mit seinen Leuten auf eine gefahrvolle Reise. Ihr Ziel: Sie wollen andere Vertreter ihrer Art treffen. Das ist der Auftakt zu einer grandiosen Fantasy-Story wahrhaft epischen Ausmaßes... die mich im zarten Alter von elf Jahren komplett aus den Schuhen gehauen hat. Mag sein, dass Wendy Pinis Zeichenstil ein bisschen zu sehr an das erinnert, was heute als Manga oder Anime rosa Teenie-Seelen verwirrt. Nur: Damals wussten wir davon nichts. Letztlich sind das spannende Abenteuer, viel näher an Sword & Sorcery, also an Conan, Kull und anderen Barbaren, als am letzten Einhorn oder Tolkien. Hier fliegen durchaus blutig die Fetzen, und wenn es zwischendurch mal poetisch oder romantisch wird, macht das die folgende Kampfszene nur packender. Über die Jahrzehnte ist die Saga immer mehr gewachsen und wurde zunehmend komplexer. Die gute Nachricht: Ihr könnt die "Elfquest" komplett, gratis und legal online lesen - und zwar hier.

Krieger der Geisterwelt - Band 1: Die Stadt der Sieben Dunklen Freuden (Ehapa-Verlag, 1980)

Bleiben wir ein bisschen bei den Elfen: Was im Original den Titel "Warriors Of The Shadow Realm" trägt, wurde bei uns Anfang der 80er als "Krieger der Geisterwelt" veröffentlicht. Ich habe den ersten Band irgendwann in den 90ern bei einem meiner Streifzüge über die damals noch ausgedehnten Flohmärkte der Republik aufgetan. Doug Moenchs Geschichte ist klassische Fantasy, es gibt zwei putzige Elfen, einen schrulligen Zwerg als Comedy-Element, jede Menge Zauberer unterschiedlicher Motivation und ein paar wenig originelle Monster. "Herr der Ringe"? Natürlich. Ein bisschen Gebrüder Grimm? Schon.Was den Comic lesens- oder besser: betrachtenswert macht, sind die schlicht genialen Zeichnungen von John Buscema. Jedes Panel sieht aus wie das Titelbild eines phantastischen Romans oder das Plakat eines ebensolchen Films. Die beiden anderen Bände der Trilogie habe ich mir erst vor kurzem besorgt - man kann sich kaum satt sehen, mag die Story sich noch so flott weglesen. Ich sollte vielleicht wirklich mal wieder öfter auf Flohmärkten nach Schätzen suchen.

Star Wars Classics 1 (Panini, 2008)

Wer mich auch nur ein bisschen kennt, weiß: Ich liebe Star Wars. Mit aller Kraft. Seit meinem fünften Lebensjahr. Ich bin in meiner Liebe relativ kritiklos und kaum diskussionsfähig. Ein gutes Beispiel dafür ist der Umstand, dass ich mit zwölf Jahren die "Krieg der Sterne"-Comics verschlungen habe, die der Ehapa-Verlag auf den Markt warf. Besonders der erste Band (ursprünglich 1979 erschienen) blieb mir so gut in Erinnerung, dass ich die Neuauflage in der Reihe "Star Wars Classics" einfach haben musste. Jetzt kommt das große Aber: Freunde, diese Storys sind sowas von gar kein bisschen Kanon, dass es kracht! George Lucas war schon immer sehr skrupellos, wenn es darum ging, sein Franchise zu vermarkten. Gut für glühwangige Sammler wie mich, nicht ganz so vorteilhaft für spätere Versuche, das Ganze zu einer stimmigen Gesamtgeschichte zusammenzutackern. Band 1 der "Classics" (und eben auch der alten Albenreihe) spielt nach der Handlung des damals einzigen Kinofilms, also nach "Krieg der Sterne", Episode IV, "A New Hope"... Ihr wisst schon. Wir erleben Han Solo und Chewie dabei, wie sie versuchen, sich bei Jabba freizukaufen. Dafür brauchen sie Kleingeld, darum arbeiten sie wieder in ihrem alten Job als Weltraumganoven. Allerdings geraten sie wie gewohnt dauernd in Schwierigkeiten. Als sie dafür sorgen, dass ein "Borg" (der heißt in der 79er-Version wirklich so) auf einem Friedhof für Humanoide beerdigt wird, bringt das die örtliche Bevölkerung gegen sie auf. Daher nehmen sie das Angebot eines Eingeborenendorfes an, die Siedlung gegen Banditen zu verteidigen. Zu diesem Zweck scharen Solo und sein haariger Kumpel eine Handvoll Abenteurer und Kopfgeldjäger um sich. Na, wem kommt diese Handlung bekannt vor? Richtig - das sind "Die glorreichen Sieben" im All. Zur bunten Truppe gehören unter anderem ein zwei Meter großes grünes Kaninchen (eventuell ein Vorfahr von Marvels Rocket Raccoon) und "der letzte Jedi-Ritter" (kein Witz!), eine Art Don Quichotte. Roy Thomas' Geschichte ist komplett abgedreht, aber sauspannend, die Zeichnungen - unter anderem von Howard Chaykin - ein wenig lieblos, aber in Ordnung. Gehört sicher nicht in jeden guten Haushalt, aber als Kuriosum und Kindheitserinnerung definitiv in mein Regal. Und Han schießt immer zuerst.

Art Spiegelman: Die vollständige Maus (Fischer, 2008)

"Maus" ist "ein Comic von Art Spiegelman, der schwarz-weiß im Stil eines Undergroundcomics die Geschichte seines Vaters, eines Auschwitzüberlebenden, und seiner Mutter erzählt und nebenbei eigene Reaktionen festhält". So steht es in der Wikipedia, die ich an dieser Stelle zitiere, weil es mir schwer fällt, in eigenen Worten zusammenzufassen, was dieses Buch mit seinem Leser macht. Betroffen, traurig, entsetzt, zornig - all das war ich während der Lektüre, und das meiste davon gleichzeitig. Die derzeitigen politischen Entwicklungen in unserem Land machen diesen Comic einmal mehr erschreckend aktuell. Niemals davor oder danach hat jemand Deutschlands dunkelste Jahre so eindringlich in Bilderform geschildert. Ich empfehle euch die etwas ungelenk betitelte Fassung "Die vollständige Maus". Mehr lässt sich fast nicht ertragen. Harte, packende, enorm wichtige Pflichtlektüre. Wider das Vergessen.

John Byrne: Der neue Superman - Handbuch 1: Ein neuer Held entsteht! (Ehapa-Verlag, 1987)

Manchmal mag man das Werk eines Künstlers, kann aber den Menschen dahinter nicht ausstehen. Mir geht das unter anderem mit John Byrne so, der einer meiner absoluten Lieblingszeichner ist. Seine Figuren haben eine völlig eigene Charakteristik, sein Stil ist klar, aber detailliert, fast niemand hat mein Verständnis von Superhelden-Comics so sehr geprägt. Leider ist er ein Arschloch. Ähnlich wie der gleichfalls talentierte und ungleich prominentere Frank Miller gefällt sich Byrne in der Rolle des reaktionären Außenseiters in einer aus seiner Sicht zu liberalen Welt der Kunst. Ich schaffe es, das auszublenden, wenn ich einen Comic von ihm lese. Ich kann ja auch weiterhin "Lethal Weapon" und "Mission: Impossible" gucken. Byrnes Mini-Serie "Man Of Steel" hat Mitte der 80er eine Figur neu aufgestellt, die nie mein absoluter Lieblingsheld war. Superman ist der fliegende Pfadfinder, durch und durch sauber und ehrenhaft, dazu nahezu unbesiegbar - superlangweilig. Aber immerhin ist er der älteste traditionelle Superheld, die Blaupause, der Prototyp; soviel Respekt habe ich ihm immer zugestanden. Die Geschichte vom Mann aus Stahl war seinerzeit das erste Reboot - und wir ahnten ja nicht, dass der Erfolg der Reihe in den folgenden Jahren eine wahre Flut an Neustarts mit sich bringen würde. Mittlerweile starten DC und Marvel ihre sämtlichen Veröffentlichungen ungefähr einmal pro Jahr neu. Um sie den Kinoverfilmungen anzupassen oder dem Zeitgeist oder den sinkenden Verkaufszahlen. "Der neue Superman" - so der deutsche Titel von Byrnes Meisterwerk - ist allerdings auch 30 Jahre später noch eine sehr lesenswerte Geschichte, die einige Logiklücken der Legende schließt und den Übermenschen menschlicher macht. Brachte mich seinerzeit dazu, die folgende Heftserie zu sammeln. Etwa bis zum nächsten Reboot.

Neal Adams & Danny O'Neil: Superman vs. Muhammad Ali (Panini, 2012)

Einer der ungezählten Gründe, warum ich Superman nicht besonders mag: Sämtliche Geschichten sind schon lange auserzählt. Er wurde verändert, getötet, wiedergeboren, gegen alles und jeden in den Ring geschickt. Beim erfolgreichen Versuch, auch wirklich das letzte Quäntchen kreativer Energie aus dem Charakter zu wringen, ließ man ihn sogar auf sein Gegenstück aus dem Konkurrenzverlag treffen - in Deutschland ursprünglich unter dem Titel "Superman gegen Super-Spider", weil die Rechte an Spider-Man eben woanders lagen. Eine Weile kloppte sich Supes also mit Shazam/Captain Marvel, veranstaltete Wettrennen gegen Flash... und ließ letztlich die Fäuste gegen den größten Boxer aller Zeiten sprechen. Muhammad Ali war eines meiner real existierenden Idole - klar, wem ich die Daumen drückte, als mir das Superman-Album in die Hände fiel, in dem diese absurde Story zum ersten Mal abgedruckt wurde. Vor ein paar Jahren habe ich mir die riesige, sehr edel aufgemachte Neufassung aus dem Hause Panini zugelegt. Vor allem das großflächige Bild des Publikums, das aus so ziemlich allen Showgrößen der 70er besteht, lohnt das extreme Format. Ansonsten schafft es Neal Adams natürlich, mit seinen lebendigen Zeichnungen selbst dieser Groteske reichlich Charme zu verleihen. Selbstverständlich ist der Konflikt der beiden Streiter für Freiheit einem Missverständnis geschuldet. Ebenso selbstverständlich kriegen die Verantwortlichen - eine Gruppe außerirdischer Invasoren - später reichlich auf die Nase. Das ist so doof wie unterhaltsam. Und wer der Größte ist, wissen Boxexperten sowieso.

Die Spinne Jubiläums-Comic-Album Nr. 1: Der Kampf der Hexenmeister (Condor-Verlag, 1987)

Zurück zu meinem Freund Spider-Man, ehe wir die Riege der Superhelden eine Weile in Ruhe lassen. Wie erwähnt hat sich der Condor-Verlag mit der Umsetzung der Marvel-Comics nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Doch gibt es Ausnahmen - dieses "Jubiläumsalbum" gehört dazu. Ohnehin waren gerade die größer formatierten Ausgaben jener Ära durchaus ihr Geld wert. Was den "Kampf der Hexenmeister" (Originaltitel übrigens: "Hooky") herausragen lässt, sind die Zeichnungen, ach was: die Gemälde von Bernie Wrightson. Der beste Horror-Grafiker aller Zeiten hat ja kürzlich das Zeitliche gesegnet und eine große Lücke hinterlassen. Detaillierter, wilder und eigenständiger kann man Fieberträume nicht zu Papier bringen. In der vorliegenden Story bekommt es Peter tatsächlich mit Magie in einer fremden Dimension zu tun - reichlich weit draußen für einen mutigen Jungen aus Queens, dessen Berufung es ist, im Großstadtdschungel gegen Bösewichte zu kämpfen. Dennoch schlägt sich der Wandkrabbler tapfer gegen eine wüste Schleimkreatur, die "das Ding aus einer anderen Welt" wie ein Schmusekätzchen wirken lässt. Eine wilde Geschichte, ein irrer Trip, durchgeknallte Bilder - und das in ungewohnt edlem Druck. Ging doch!

Flix: Held (Carlsen-Verlag, 2003)

Es gibt ja wirklich Helden. Sie tragen allerdings keine Masken oder Capes und ihre Unterwäsche glücklicherweise in der Regel nicht sichtbar. "Held wird man nicht erst, Held ist man. An jedem verdammten Tag seines Lebens." So formuliert das Künstler Flix, der mit "Held" nichts weniger als die Geschichte eines Lebens geschrieben und gezeichnet hat. Ein stilles, ein packendes Buch ist das, eventuell das ideale Geschenk für Bildungsbürger ab 30, deren Lächeln im Gespräch mit uns Nerds ein wenig zu falsch und etwas zu arrogant ist. Das ist Kunst. Und trotzdem mitten im Leben, im erwähnten Alltag, in uns allen. Jeder wird sich in den Erlebnissen des Protagonisten wiederfinden - zumindest, wenn sie oder er ehrlich zu sich selbst ist. "Held" ist brüllend komisch, verzweifelt traurig, melancholisch und macht tapfer. Welches Buch kann das schon von sich behaupten? Und wie viele davon sind Comics? Der "Fänger im Roggen" im Cartoon-Stil. Woody Allen als Nachkriegskind. Mitten aus dem Leben, direkt ins Herz - zumindest darin blättern sollte einfach jeder einmal. Um dann zu erkennen, dass er ein "Held" ist, weil er eben keiner ist.

Peter Puck: Rudi - fett & komplett (Egmont Comic Collection, 2015)

Mein Bruder (der mit dem Esszimmer) lebt im Ländle. Dort gibt es Spätzle, Kehrwoche - und in den 80ern gab es einen Comicstrip namens "Rudi", der in Stadtmagazinen erschien. Dadurch wurde auch ich auf ihn aufmerksam. Rudi, der Charakter, ist eine humanoide Ratte und so etwas wie die Yuppie-Version von Brösels Werner. Er schlägt sich durchs Stadtleben, erlebt recht zeitgeistige Abenteuer, die er meist relativ lässig kommentiert, und ist eigentlich der ewige Verlierer. Pech in der Liebe, ständig pleite, das nächste Fettnäpfchen schon in Kopfsprungweite - falls Donald Duck mit irgendjemandem nicht tauschen möchte, ist das Rudi. Oder anders: Der Kerl ist grundsympathisch. Peter Pucks Geschichten sind ein klares Abbild ihrer Zeit. Vor allem die frühen Storys sind so sehr lackiert glänzende 80er wie "Prinz" und "Wiener", Falco und Robert Palmer. Heute ist das "retro", eventuell sogar "Kult", aber für solche Begriffe haben Puck und sein Alter Ego Rudi sicher bestenfalls ein Achselzucken übrig. Zuletzt erschien "Rudi" übrigens im Punk-Fanzine "Ox", und auch das passt wie die Faust auf die Sonnenbrille. Einsteiger, Kenner und überhaupt jeder greift am besten zum wahrlich kompletten und fetten Sammelband "Fett & komplett". Mehr Rudi geht nicht.

Die großen Phantastic-Comics Band 1: Warlord - Der Kämpfer (Ehapa-Verlag, 1980)
Mike W. Barr & Brian Bolland: Camelot 3000 (Panini, 2011)

Comic-Verfilmungen lassen ja seit Jahren die Kassen in Hollywood klingeln. Der Grund, warum ich in diesem Absatz zwei Bände zusammenfasse, ist: Die beiden sollte man mal verfilmen. Wenn das gut gemacht wird, also mit wertigen Spezialeffekten und guten Leuten vor und hinter der Kamera, könnte das ein Erfolg werden und vielleicht sogar zwei neue Franchises etablieren. Geschichten gibt es in beiden Fällen genug. Da haben wir zum einen Mike Grells Fantasy-Abenteuer "Warlord", das ich als Flohmarkt-Fund und Teil der Ehapa-Reihe "Die großen Phantastic-Comics" kennen und lieben gelernt habe. Erzählt wird die Geschichte des amerikanischen Piloten Travis Morgan, der nach einem Absturz ins Innere der Erde gerät und feststellt, dass diese hohl ist. Allerdings bastelt er sich nach dieser Erfahrung keinen Aluhut, sondern passt sich zunächst optisch, später immer mehr auch in seinem Verhalten seinem neuen Zuhause an - einer fantastischen Welt ohne Nacht, bevölkert von Barbaren und Robotern, Monstern und Magiern, Sauriern und Drachen. Skartaris - so der Name dieses Ortes - kennt nur eine Regel: Erwarte das Unerwartete. Auf seiner Reise durch das unwirtliche Gebiet wird aus dem Mann mit dem weißen Bart eine lebende Legende. Es gibt die Warlord-Reihe als Neuauflage im Cross-Cult-Verlag, allerdings in Schwarz-Weiß und bereits nach drei Folgen eingestellt. Da lohnt es sich fast mehr, die alten Ehapa-Alben zu sammeln.

Ebenfalls legendär sind die Sagen um König Artus und die Tafelrunde. Mike W. Barr verlagerte das Epos in den 80ern in eine ferne Zukunft, in der die Erde von aggressiven Aliens bedroht wird. Nachdem der britische Monarch aus jahrhundertelangem Schlaf erwacht ist und sein Schwert Excalibur erneut aus dem Stein gezogen hat, versammelt er seine Getreuen um sich. Das Problem: Die meisten wissen nichts davon, dass sie wiedergeborene Ritter aus dem Mittelalter sind. Und nach erfolgreicher Erweckung finden sich auch nicht alle mit ihrem neuen alten Leben zurecht. Früher oder später kreuzen natürlich die Invasoren aus dem All und die Beschützer von Mutter Erde die Klingen. Noch spannender sind allerdings die Intrigen und Verwirrungen am Rande. Das Ganze fangen Brian Bollands liebevolle Zeichnungen perfekt ein. Der recht edel aufgemachte Sammelband aus dem Hause Panini lohnt den Zugriff. Jäger und Sammler suchen sich vielleicht lieber die alten Alben aus den 80ern zusammen, die seinerzeit genau wie "Warlord" als "große Phantastic-Comics" veröffentlicht wurden.

Turk & Bob de Groot: Percy Pickwick 1: Sieben Tage Angst (Carlsen-Verlag, 1983)

"Zack", "Fix & Foxi", "Yps" - in meiner Kindheit gab es diverse Magazine, die Comics als Fortsetzungsgeschichten veröffentlichten. Darunter waren Funnys, relativ harte Historienabenteuer, viel aus Frankreich und Belgien, und das meiste erschien später in Form überteuerter Alben bei Carlsen. Das galt auch für die Krimi-Abenteuer von Percy Pickwick (der eigentlich "Clifton" heißt). Der ist Offizier und Geheimagent im Ruhestand und so britisch, wie es nur geht. Er liebt die regelmäßige Teestunde, gute Manieren, seinen gepflegten Schnauzbart und Katzen. Statt allerdings sein Rentnerdasein zu genießen, lässt er sich immer wieder darauf ein, mehr oder weniger mysteriöse Kriminalfälle zu lösen. Und oft genug holt ihn die Vergangenheit ein, denn auch seine alten Gegner finden keine Ruhe. "Tim & Struppi" trifft "Inspektor Barnaby" - diese Beschreibung trifft Ausrichtung und Atmosphäre der Clifton-Comics ganz gut. Die Geschichten stammen aus den frühen 70ern und sind schon allein deshalb angenehm entschleunigt. Percy Pickwick ist nicht James Bond, eher schon den Schrullen eines Sherlock Holmes verpflichtet. Trotzdem oder gerade deshalb machen vor allem die ersten paar Bände der Reihe unglaublich Spaß. Sie sind quasi das gedruckte Äquivalent zu den Wiederholungen von Krimiserien im Nachmittagsfernsehen. Man weiß, dass alles gut ausgeht, und genießt bis dahin die wohlige Spannung. Ich sage schon seit Jahren, irgendjemand sollte mal für Carlsen den "Tatort" aus Münster umsetzen...

Richard Corben: Rowlf & Die Bestie von Wolfton (Volksverlag, 1981)

Achtung! Schweinkram! Aber ich muss euch enttäuschen: Als mir das Cover dieses Comics zum ersten Mal ins Auge fiel, war ich zarte acht Jahre alt. Dementsprechend galt meine Aufmerksamkeit nicht der barbusigen Dame im Hintergrund, sondern ausschließlich den beiden kämpfenden Monstern davor. Ich malte mir aus, welche Geschichte wohl hinter diesem Duell des Werwolfs und der echsenartigen Bestie stecken mochte. Erfahren habe ich es satte 20 Jahre später. Nicht ohne Grund erschien Richard Corbens "Rowlf" in der Reihe "Comics für Erwachsene" - das hielt mich als Kind fast so sehr davon ab, im Zeitschriftenladen darin zu blättern, wie der gestrenge Blick von Frau Kraus, der Inhaberin. Um es kurz zu machen: Corben ist in der Szene nicht bekannt dafür, der größte Verfechter eines modernen Feminismus zu sein. Frauen werden in seinen Comics bestenfalls gerettet und haben praktisch nie etwas an. Und der ungewöhnliche Protagonist der vorliegenden Geschichte ist natürlich kein Werwolf, sondern tatsächlich ein Mann gewordener Hund. Letztlich handelt es sich um eine Fantasy-Version von "Rotkäppchen", aufgebretzelt durch Themen wie unterdrückte Sexualität und das Tier in uns allen. Warum dieser Comic in der Bestenliste eines Gutmenschen wie mir auftaucht? Weil Corben ein großartiger Erzähler und Zeichner ist - und "Rowlf" (so heißt übrigens auch der Pianist der "Muppet Show") ein frühes Beispiel für die Umsetzung filmischer Mittel in einem gezeichneten Medium.

Juan Diaz Canales & Juanjo Guarnido: Blacksad - Irgendwo zwischen den Schatten (Carlsen-Verlag, 2001)

John Blacksad ist Privatdetektiv. Einer von der knallharten Sorte. Er wühlt im Dreck und macht sich die Hände schmutzig. Er folgt immer seinem Instinkt. Seine Schwäche: junge Damen und alter Whisky. Seine Stärken: Spürsinn und flinke Fäuste. Und hatte ich erwähnt, dass Blacksad ein Kater ist? Irgendwie habe ich ein Faible für anthropomorphe Tiere im Comic. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass meine Generation mit sowas sozialisiert wurde: Micky und Donald, Tom und Jerry, früher noch Reineke Fuchs. Die Abenteuer von Blacksad sind durchaus im Reich der Fabeln angesiedelt, verlegen es allerdings in das Setting eines Humphrey-Bogart-Krimis. John Blacksad ist natürlich Sam Spade und Philip Marlowe. Die Großstadt ist sein Revier, seine Gegner sind das organisierte Verbrechen, korrupte Polizisten und das Gesindel in den dunklen Gassen. Im regennassen Asphalt spiegeln sich Blaulicht und Rotlicht. Und Blut sieht nachts schwarz aus. Allerdings sind nicht alle Katzen grau: Rassismus ist ebenfalls ein Thema, das macht den schwarzen Kater zum Shaft seiner Welt. Die Zeichnungen sind schlichtweg genial, die Atmosphäre ist dicht und die Spannung greifbar. Dieser spanische Comic hat ein verdammt hohes Niveau und nicht umsonst jede Menge Preise abgeräumt. Steigt ruhig mit dem ersten Band ein. Die restlichen kauft ihr dann automatisch. Sagt mein Spürsinn.

Fritz Leiber (Mike Mignola): Fafhrd und der Graue Mausling (Cross Cult, 2007)

Es gibt im Wesentlichen zwei Fantasy-Autoren, die mich quasi durch mein komplettes Nerd-Leben begleitet haben: Michael Moorcock und Fritz Leiber. Der Letztgenannte hat mit dem hünenhaften Nordmann Fafhrd und seinem kleingewachsenen Begleiter, dem ehemaligen Zauberlehrling Grauer Mausling, eines der wichtigsten Duos im Genre geschaffen. Es ist die klassische Buddy-Geschichte von den beiden unterschiedlichen Helden, die beste Freunde werden - die "Hercules"-Fernsehserie der 90er hat sich weitgehend daran orientiert. Stellt euch Bud Spencer und Terence Hill im Kampf gegen finstere Mächte und mächtige Finsterlinge vor, das kommt ganz gut hin. Die beiden wortgewaltigen Schwertkämpfer durchstreifen meist die engen Gassen der Stadt Lankhmar, immer auf der Suche nach neuen Abenteuern. Die Comic-Umsetzung hat glücklicherweise ein ähnlicher Querkopf übernommen, wie Leiber einer war: Mike Mignola hat mit "Hellboy" Geschichte geschrieben. Sein Zeichenstil ist speziell, erinnert an Radierungen, deutet mehr an als es detailliert zu zeigen. Das passt hervorragend zu den manchmal surrealen Sword & Sorcery-Storys um das ungleiche Gespann. Es macht höllisch Spaß, dem Barbaren und dem Dieb dabei zuzuschauen, wie sie sich aus vermeintlich ausweglosen Situationen herauskämpfen oder -quatschen. Ich habe meine Ausgabe übrigens von meinem besten Kumpel zum Geburtstag bekommen. Der ist zwei Köpfe kleiner als ich. Aber wir tragen keine Schwerter.

Mark Millar & John Romita jr.: Kick-Ass (Marvel, 2010)

Mark Millar ist ein verdammtes Genie. Wer bis hierhin durchgehalten hat, könnte den Eindruck bekommen haben, dass ich mit diesem Begriff leichtfertig umgehe. Aber das stimmt nicht. Es ist einfach so, dass ich praktisch alles, was der Mann bisher gemacht hat, so perfekt finde, dass man ruhig mal mit Superlativen hantieren darf. Selbst sein Marvel-Comic "Civil War", mit dem ich inhaltlich sehr hadere (und der übrigens sehr wenig mit dem gleichnamigen Film zu tun hat), ist eine grandios geschriebene Geschichte, nicht weniger. Millars Meisterwerk ist allerdings "Kick-Ass", und zwar der Comic und der Film. Beide hängen relativ weit oben in meinen entsprechenden Bestenlisten. Der Streifen ist übrigens keine Verfilmung des Strips, Drehbuch und Comic-Script sind quasi parallel entstanden - und allein damit beweist der Autor sein Talent, indem er die unterschiedlichen Medien unterschiedlich bedient. Aber worum geht es überhaupt? Um den sehr normalen US-Teenager Dave, der sich fragt, weshalb sich noch nie jemand tatsächlich als Superheld versucht hat. Im grünen Trainingsanzug, ausgestattet mit einer Skimaske und zwei Schlagstöcken, versucht er unter dem Namen "Kick-Ass", genau diese Idee in die Tat umzusetzen. Natürlich geht alles schief, und der Schlacks muss feststellen, dass der Kampf gegen das Verbrechen sehr schmerzhaft und blutig ist. Als er auf Gleichgesinnte trifft, erkennt Dave jedoch, dass er sich auch von harten Rückschlägen nicht aufhalten lassen will. Wow! Dieser Comic ist mitreißend, brutal, dreckig, pathetisch und optimistisch zugleich. Auch und gerade als Sammelband, also am Stück. Das hat er allenfalls mit dem zugehörigen Film gemein, und nach jeder Lektüre bin ich fast versucht, mir Schlagstöcke zu bestellen. Oder zumindest einen grünen Trainingsanzug.

Alan Moore & Dave Gibbons: Watchmen (Panini, 2008)

"Ich bin hier nicht mit euch eingesperrt. Ihr seid hier mit mir eingesperrt." So steht es auf der Startseite meines Twitter-Accounts. Und Eingeweihte wissen: Dieses Zitat stammt aus dem Comic... pardon: der Graphic Novel "Watchmen". Deren Autor Alan Moore ist nicht nur optisch sowas wie der Michael Moorcock der Comic-Welt: ein wildbärtiger Hippie mit Herz und leicht vernebeltem Hirn. Keine Ahnung, wie oft die Story um die Wächter, die ihrerseits bewacht werden (oder eben nicht), mittlerweile neu aufgelegt wurde - mindestens ein halbes Dutzend mal, in verschiedenen Editionen. Ich habe mir irgendwann die relativ neue Fassung von Panini zugelegt, da bekommt man alle Teile und ein paar Hintergrundinfos in guter Druckqualität. "Watchmen" ist übrigens einer der wenigen Comics, der optisch und inhaltlich dicht an der Vorlage verfilmt wurde und trotzdem auch auf der Leinwand überzeugt. Für so etwas ist ein bildverliebter Regisseur wie Zack Snyder genau richtig - mit anderen Superheldenfilmen ist er ja später grandios gescheitert. Zur Handlung: Wir befinden uns in einer alternativen Zeitlinie, genauer gesagt in den 80er Jahren. Richard Nixon ist noch immer Präsident der Vereinigten Staaten, der globale Frieden steht auf der Kippe. Ein weiterer Unterschied zu unserer Realität: Wir haben Cosplayer und "Real Life Heroes", in dieser Welt jedoch nehmen die kostümierten Verbrecherjäger ihren Job verdammt ernst. Unter ihnen: der zynische und gewalttätige Comedian, der verbitterte Einzelgänger Rorschach, der privat verklemmte Superdetektiv Night Owl - und Dr. Manhattan, der als Einziger tatsächlich über übermenschliche Fähigkeiten verfügt und längst den Kontakt zu den Menschen verloren hat. Die so genannten Watchmen wurden von der Regierung in den Ruhestand gezwungen, aber als einer von ihnen einem Mord zum Opfer fällt, müssen die verbliebenen Mitglieder sich zusammenraufen. Sie kommen einer Verschwörung auf die Spur, bei der es um das Schicksal der gesamten Menschheit geht. Superman als verwirrter Halbgott? Batman mit Potenzproblemen? Ein selbst ernannter Held, der Straftäter gnadenlos niedermetzelt und darüber Tagebuch führt? Diese verwegene Gruppe hat so gar nichts zu tun mit jenen Helden in Unterhosen, als die Superhelden im Comic meist verstanden werden. Die Geschichte ist düster und realistisch, die Texte und Dialoge einfach nur grandios und die Zeichnungen aus der Feder von Dave Gibbons gerade wegen ihrer klassischen Linienführung absolut passend. Wer tatsächlich noch nicht glaubt, dass Comics komplexe Handlungen transportieren und wirklich Literatur sind, wird nach wenigen Seiten für immer schweigen. Rorschach-Tagebuch Ende.

Samstag, 16. September 2017

Am Himmel

Und ich sah nach oben, und da galoppierten sie über den Himmel. Wie immer zu viert (für einen wäre der Job gar nicht zu bewältigen), wie immer ganz in Schwarz und mit der gebremsten Eile der erfahrenen Reisenden, die wissen: Optik ist wichtig. Das Auge zittert mit. Ich hob grüßend die Hand - man ist ja höflich -, aber wie erwartet ritten sie achtlos weiter. Nur einer zwinkerte mir kumpelhaft zu und tippte kurz mit einem knöcherigen Finger an seinen Helm. Ich erkannte ihn gleich, schließlich hat meine Schulbildung mich historisch und klerikal auf das Kommen der vier Reiter vorbereitet. Krieg. Netter Kerl. Ich holte die Post aus dem Briefkasten und ging wieder rein.

Samstag, 9. September 2017

In der Nachbarschaft

Und irgendwann ist es dann passiert. Da sind ein paar von denen nebenan eingezogen. Meine früheren Nachbarn mussten ihretwegen das Haus räumen.

Anfangs war das schon ungewohnt. Ich erzähle immer allen, wie tolerant ich doch sei, aber im Alltag ist das was anderes. Man hat ja doch Vorurteile. Die benehmen sich schon seltsam. Sehen anders aus, haben eine ganz andere Kultur. Und ihre Religion ist mir durchaus suspekt. Ab und zu machen sie ganz schönen Lärm - meistens, wenn ich ausschlafen könnte. Zwischendurch wird gefeiert, vor allem im Sommer. Schlecht scheint es ihnen also nicht zu gehen. Sie kriegen auch oft Besuch, von Verwandten, das ist immer ein großes Hallo. Viele Kinder und so. Manchmal klingeln sie einfach bei mir, das ist ein bisschen aufdringlich.

Aber eigentlich sind sie nett. Wenn man sich erstmal kennen gelernt hat... Zum Einzug haben sie alle Nachbarn eingeladen. Wir haben im Garten gegrillt und viel gelacht. Mittlerweile nehmen sie Paketpost für mich an. Wir helfen uns gegenseitig bei kleineren Arbeiten am Haus. Ab und zu besuchen wir uns oder quatschen in der Einfahrt. Die sind schon okay, der Pfarrer im Ruhestand und seine Frau. Und missionieren wollen sie mich nie. Vorurteile überwunden.