Montag, 21. August 2017

In Gedanken

Irgendwann, in einer ruhigen Minute, nimmt mich bitte mal jemand beiseite und erklärt mir das alles. In den 90ern bin ich gegen Ausländerfeindlichkeit und Krieg auf die Straße gegangen. Damals sah es tatsächlich danach aus, als könnten eventuell doch noch alle Menschen Brüder und Schwestern werden. Ehemalige Oppositions- oder Rebellenführer wurden Staatschefs (Havel, Mandela), die Mauer war weg, im Osten gab es Glasnost und Perestroika, auch Clinton war durchaus ein Hoffnungsträger.

Und heute? Irgendwer hat in den vergangenen 20 Jahren zunächst unbemerkt an der Zeitmaschine rumgefummelt. Um uns herrscht tiefstes Mittelalter, so düster, wie in den Geschichtsbüchern beschrieben. Der mächtigste Mann der Welt ist ein debiler, größenwahnsinniger Greis mit dem Wortschatz eines zornigen Fünfjährigen. Er gebietet unter anderem über die größte Streitmacht aller Zeiten, weswegen mir das Lachen über die täglichen Meldungen, die früher politische Witze gewesen wären, längst die Kehle zuschnürt. In Nordkorea sitzt ein degeneriertes Kleinkind ebenfalls auf Atomwaffen, in Russland, der Türkei und Polen herrschen faschistoide Betonköpfe. Im vielbeschworenen Heimatland genügt blauer Lack auf brauner Kacke, um die dumpfen Massen zu mobilisieren wie vor 90 Jahren. Der Schoss ist fruchtbarer denn je. Als nur in diesem Zusammenhang willkommene Sündenböcke taugen den Rechten jene, die durch das Grauen gepaddelt sind, um schlimmerem Grauen zu entkommen. Hier dichtet und denkt schon lange niemand mehr - unser Brot, unsere Spiele, unser Opium liefern Scripted Reality auf RTL2 und die wahre Lügen-"Presse" einschlägiger Internetseiten.

Es gibt Menschen, die glauben, die Erde sei eine Scheibe und/oder innen hohl. Es gibt Menschen, die die Evolution für ein Märchen halten. Es gibt Menschen, die andere Menschen nach wie vor nach Aussehen, Herkunft, Glauben oder Lebenspartner beurteilen und wegsortieren. Und unter den Hintern all dieser Leute - auch unter eurem und meinem - krepiert der Planet. Jeden Tag sterben 150 Tier- und Pflanzenarten aus. Aber keine Sorge: Das Mastvieh gehört nicht dazu. Unser täglich Billigschnitzel gib uns heute.

Noch was? Wenn ich nur kurz nachdenke, fällt mir sicher noch viel mehr ein. Gut, dass ich das seit einigen Monaten weitgehend vermeide und dorthin fliehe, wo es wirklich Zeitmaschinen gibt und man die Erde von oben betrachten kann. Das war mein negativer Post des Tages inklusive Begründung dafür, weshalb ich ein Nerd bin. Sorry, musste einfach mal raus. (Und nein, es geht mir eigentlich gerade relativ gut.)

Dienstag, 1. August 2017

Abenteuer mit DHL Express - das letzte Kapitel

Unruhige Nacht. Alpträume. Ein Dutzend DHL-Express-Boten hämmert an meine Haustür, aber ich kann mich nicht bewegen. Wache schweißgebadet auf.

Auf der Fahrt zur Arbeit widerstehe ich mühsam dem Impuls, einen DHL-Transporter nach dem Überholvorgang auszubremsen, um den Fahrer unter Androhung physischer Gewalt zu zwingen, mir die CD auszuhändigen.

Beim Eintreffen im Verlag geschieht das Unerwartete, mit dem ich längst nicht mehr rechne: Die Kollegin am Empfang überreicht mir ein zerbeultes Paket. Die Stimmung ist feierlich. Ich spreche ein paar Worte, aus der Ferne ertönt die Carmina burana. Plane einen kleinen Empfang, nichts Aufregendes, aber der Situation angemessen. Hat jemand die Nummer des Dalai Lama?

Meine Vermutung: Die DHL-Express-Menschen in Haiger-Sechshelden haben mit einer Art Intelligenztest den Reflektiertesten unter ihnen ermittelt und diesen mit der unmöglichen Mission betraut. Sein Auftrag: das Paket zuzustellen, ehe ich die Privatadresse des DHL-Vorstandsvorsitzenden herausfinde und diesen als Geisel nehme. Jedenfalls: Manchmal wird doch noch alles gut. Led Zeppelin!