Montag, 20. August 2012

Herzensangelegenheiten

Verurteilte Straftäter und reaktionäre Rednecks, notorische Junkies und arrogante Idioten - eine illustre Truppe hat sich da versammelt. Wenn diese Schwachköpfe wenigstens die Klappe halten würden. Stattdessen brabbeln sie das Ergebnis ihrer verschwurbelten und allenfalls von rudimentärer Bildung geprägten Gedanken in jedes erreichbare Mikro. Als hätten sie nichts Besseres zu tun. Sollen sie sich doch lieber darum kümmern, ihre häufig genug derangierten Lebensentwürfe auf die Kette zu kriegen oder wenigstens ihren Job ansprechend zu erledigen. Was wollen die überhaupt hier? Wer hat sie eingeladen? Leider muss ich zugeben: Ich war's. Sogar freiwillig.

Seither wohnen sie in meinen CD-Regalen. Sind also irgendwie Teil meines Daseins. Die Sache ist nur: Streng genommen könnte es mich einen Dreck kümmern, ob ein Musiker einer der eingangs genannten Minderheiten angehört. Leider tut es das nicht immer.

Wenn Al Jourgensen nicht von der Nadel loskommen will, weil er der Ansicht ist, kein Problem zu haben, ist das seine Entscheidung. Ich kenne den Mann nicht persönlich, und es fällt mir leicht, seinen Heroinkonsum nicht zu finanzieren, weil seine Platten zunehmend schlechter werden. Wenn Dave Mustaine gegen Obama wettert und sich dabei in wüsten Verschwörungstheorien ergeht, ärgert mich das kurzzeitig. Dann jedoch fällt mir ein, dass den cholerischen Querkopf seit Jahren niemand mehr ernst nimmt. Nicht mal für seine Musik. Soll er also quatschen; mein letztes Megadeth-Album habe ich Ende der 90er gekauft. Wenn Brian Fallon sich als Kreationist outet... dann stört mich das seltsamerweise sehr.

Weshalb kann ich damit umgehen, dass nicht jeder Musiker ein intellektueller Gutmensch ist, werde aber ungehalten, wenn der Sänger von The Gaslight Anthem die Evolution verleugnet? Liegt es daran, dass er in den vergangenen Jahren einige Lieder geschrieben hat, die mir im Gegensatz zu "Jesus Built My Hotrod" oder "Symphony Of Destruction" nicht nur eine gute Zeit bescheren, sondern wirklich etwas bedeuten? Oder daran, dass es mir in diesem Fall mehr als ohnehin auch um die Texte geht? Keine Ahnung.

Ich bin der tiefen Überzeugung, dass (fast) jeder eine zweite Chance verdient hat. Wenn Jourgensen demnächst das Zeitliche segnet, wird er mir als das einstige Genie hinter Ministry in Erinnerung bleiben. Wenn Megadave nächstes Jahr einmal mehr behauptet, missverstanden worden zu sein oder wieder zu tief ins Glas geguckt zu haben, werde ich das mit einem schiefen Grinsen und zuckenden Schultern quittieren. Aber irgendetwas sagt mir, dass das Leben des Brian in eine Richtung gehen wird, die ihn wegbringt von Stromgitarre und Rock'n'Roll, also letztlich von seinen Fans. Eine Suchtkrankheit lässt sich bekämpfen, eine politische Einstellung kann sich ändern. Aber Religion (und darauf basiert Fallons eigenartige Weltsicht) ist etwas Fundamentales und sagt viel über ihre Anhänger aus. Sicher einer der Gründe, warum ich damit nichts am Hut habe.

"Now I am no devil but I've got things on my mind. And they're gonna come out and they're gonna come up time to time." So ist das wohl.

Brian Fallon ist Kreationist

The Gaslight Anthem: Film Noir