Sonntag, 8. Juli 2007

Herzensangelegenheiten

Da quietscht doch was! Infernalischer Krach tönt aus den Boxen, dazu ist gutturales Grunzen zu hören. Unverständliche Schreie, gefolgt von einem dissonanten Kreischen und strukturlosem Lärm, der entfernt an einen Rhythmus erinnert. So oder so ähnlich beschreiben jedenfalls Uneingeweihte, was Eingeweihten heilig ist.

Komm schon, fühl den Lärm - dieser Aufforderung leistet nur Folge, wer sich auskennt in der düsteren Welt jener Stilrichtungen, die häufig auf -core enden. Dabei schlummern schwarze Perlen in der schlammigen Pfütze, deren Untiefen einzig beherzten Hörern als Spielwiese dienen. Das Debütalbum der britischen Grindcore-Pioniere Napalm Death etwa sei allen Unverzagten ans Herz gelegt: Kompromissloser und brutaler war Musik (im weitesten Sinne) nie zuvor und niemals wieder. "Scum" (Abschaum), so der Name des knapp halbstündigen Infernos, ist in diesem Fall als Ehrentitel zu verstehen. Wer unten ist, muss laut sein, um sich Gehör zu verschaffen. Und wer im Namen aller Unterdrückten brüllt, muss dies doppelt laut und dreifach schnell tun. Keine Zeit für Gefühle - allenfalls für Hass und Wut.

Da erscheinen sämtliche, auch von intellektuellen Spex-Abonnenten mit wohligem Schauer in Lieblingslisten aufgenommene Slayer-Alben wie Märchenplatten. Was sie streng genommen auch sind: Wenn Napalm Death von Tod und Verderben singen, meinen sie Krieg, Umweltzerstörung und Hoffnungslosigkeit. Slayer-Frontmann (so werden Sänger im Metal-Mikrokosmos genannt) Tom Araya hingegen erzählt von Teufeln, Dämonen und allenfalls auf dumpf-provokante Art vom Grauen des Zweiten Weltkriegs.

Damit derlei dunkle Gedankengänge nicht den langhaarigen Steinewerfern vorbehalten bleiben, versuchen sich auch Jazzer und einstige Avantgarde-Rocker an der Nicht-Musik. Pat Metheny"Zero Tolerance For Silence" straft jeden Lügen, der den lockenköpfigen Schöngeist für eben diesen hält. Der kann auch anders! Erst nach mehrmaligem Hören (der Selbstversuch ergibt: zehn- bis fünfzehn Mal) kristallisieren sich Songstrukturen heraus, die die Brillanz des notorisch gut gelaunten Jazz-Gitarristen erkennen lassen. Und seine dunkle Seite.

Ähnlich verstörend: die legendäre "Metal Machine Music" von Lou Reed und Neil Youngs Feedback-Spielereien auf seinem Live-Album "Arc/Weld". Der frühere Velvet Underground-Vordenker hat einfach seine stets schlechte Stimmung vertont - mit einer Stromgitarre und allem, was sich aus dieser pressen lässt. Kanadas knurriger Querkopf hingegen verglich die Rückkopplungen zwischen den Liedern mit Ingwer, das Feinschmecker zwischen exzellenten Mahlzeiten zu sich nehmen.
Gourmets wissen also: Wenn's quietscht, ist alles in Ordnung.